Nach der Sintflut

Abschiedsgottesdienst für Pfarrer Dr. Wolfgang Weich

Pfr. Dr. Wolfgang Weich proklamiert das Ende der Sintflut

Poppenlauer, So., 2. Febr. 2014. Bereits über eine halbe Stunde vorher war die Poppenlauerer Hauptstraße zugeparkt. So viele Menschen wie sonst vielleicht nur an Heiligabend kamen in die evangelische Auferstehungskirche, um den letzten Gottesdienst ihres Pfarrers Dr. Wolfgang Weich mitzufeiern und sich persönlich, nicht ohne Wehmut, von ihm zu verabschieden. Permanent mussten weitere Stühle aus dem Gemeindehaus nebenan in die Kirche geschleppt werden. Dass er „mit gemischten Gefühlen“ gekommen sei, bekannte selbst Dekan Oliver Bruckmann vor den zum festlichen Einzug versammelten Geistlichen und Kirchenvorständen aller fünf Lauertalgemeinden. Aber „Abschied gehört zum Leben dazu“, betonte in seiner Begrüßung der Gemeinde Pfarrer Stefan Bonawitz, obwohl auch er sich nicht darüber freue. Denn nun muss er bestimmt einige Monate sämtliche Gemeindeglieder allein betreuen und die Amtsgeschäfte führen. Seine, natürlich neben Lektoren und Prädikanten, tatkräftige Hilfe, Vikar Manuel Sauer, dürfte bald ausgelernt haben.


Aber nicht die Trauer, sondern die Dankbarkeit für exakt elf Jahre und vier Monate Dienst des scheidenden Pfarrers dominierte an jenem Nachmittag bis in die Nacht hinein. Ja, zum Teil sogar frenetischer Applaus brandete immer wieder schon während des Gottesdienstes auf. Der Kirchenchor und der Evangelische Posaunenchor Poppenlauer (Leitung: Rainer Müller), in dem Dr. Weich noch einmal die Tuba geradezu solistisch blasen durfte, umrahmten den Abschied festlich-gediegen. Gleich drei Organistinnen wechselten sich auf der Orgelbank ab und übertrafen einander. Und ein sog. ImproChor (doch beileibe keine Improvisation!) aus jungen Stimmen trug eine internationale Note bei: “The heavens are telling the glory of the Lord“.


Dann ging Dr. Weich „als Poppenläurer Pfarrer zum letzten Mal auf die Kanzel“ – dies selbst kommentierend. In seiner Predigt nahm er zunächst auf den kirchenjahreszeitlichen Kasus des Sonntages, „Lichtmess“ bzw. „Die Darstellung des Herrn“, Bezug: Das Jesuskind wurde als Erstgeborener im Tempel ausgelöst und als Heiland erkannt – laut Evangelium des Tages. Dann aber verlas Weich den Predigttext aus dem 1. Mosebuch, Kap. 8: Noahs Arche läuft auf festen Grund. Der Pfarrer stellte die sich allen aufdrängende Frage: Was haben diese Bibeltexte miteinander zu tun? Antwort: „Endlich hat die Not der Sintflut ein Ende. Endlich ist der Heiland gekommen.“ Natürlich schürfte der Pfarrer tiefer und fragte weiter: „Warum mutet Gott uns immer wieder so etwas zu?“ Dabei meinte er das Hochwasser an Elbe und Donau im vergangenen Jahr und erinnerte an die instabile Situation zurzeit in der Ukraine. Selbst auf den Dörfern gäbe es genug Konflikte zwischen Nachbarn und Gruppen. Von daher gelte es, behutsam Schritte zu einer Verbesserung zu gehen. Die Absicht zum Frieden müsse erkennbar sein, auch das Bemühen, ehrlich zu sich selber und zu anderen zu sein.


Gerade im Faktum der Auferstehung Jesu habe sich nämlich ein liebevoller Gott gezeigt. Weichs euphorische Schlussworte: „Wir zeugen von diesem liebevollen Gott, von Jesus, der lebt und bei uns ist. Was für eine Zumutung! Er ist auferstanden, und wir werden auch auferstehen. Er wird uns einmal in sein Reich führen. Unendlich froh ist diese Botschaft. Amen.“ Dazu passend der Gemeindechoral „Jesus Christus herrscht als König“.


Sozusagen nach der Sintflut stellte die Würdigung der Leistungen des Pfarrers durch Dekan Bruckmann ein weiteres Gottesdienst-Highlight dar: Dieser sprach ihm in freundschaftlich-verbindlicher Weise sein herzliches Dankeschön aus für die Verkündigung des Evangeliums, für Unterricht, seinen Einsatz für die Ökumene und vor allem für die von ihm geförderte Gemeindeentwicklung. Dr. Weich habe „eine gut strukturierte Pfarrei Lauertal mit auf den Weg gebracht“ und auch als Moderator bei der Zusammenführung der beiden Kindergärten fungiert. „Sie gehörten zum Motorblock!“ Zum Getriebe – um im Bild zu bleiben – zählte der Dekan offenkundig die Geistlichen und Weichs Weggefährten Pfarrer Walter Neunhoeffer und Pfarrerin Eva Thelen, die ihrerseits vor geraumer Zeit „preisend mit viel schönen Reden“ verabschiedet worden und nun zu Ehren Dr. Weichs gekommen waren.


Die Laudatio des Dekans war aber längst noch nicht zu Ende. Dr. Weich sei auch ein guter, treuer Verwalter gewesen: „Es ist alles noch da.“ Erleichtert beklatschte dies die Gemeinde. Weitere Großtaten des Pfarrers hätten in seinem diakonischen Wirken für den Diakonieverein Lauertal und den St. Johannes-Zweigverein sowie in seiner Mitarbeit, besonders als Senior des Pfarrkapitels, im Gesamtdekanat bestanden. Und bei alldem  habe der Pfarrer immer „Gottes Nähe mit frohem Gesicht weitergegeben“ – gewissermaßen sein Markenzeichen und Erfolgsgeheimnis. Dann segnete der Dekan Dr. Weich samt seiner Frau Heike und den Kindern Luis Gabriel, Rafael und Franka und entband ihn offiziell von seinen Aufgaben in der Gemeinde.


Zweifelsohne hat Dr. Weich in Poppenlauer einen wichtigen Lebensabschnitt verbracht und hier überhaupt Familiengeschichte zu schreiben begonnen: In seinem früheren Beruf als Physiker ein ausgesprochener Großstadtmensch – es seien nur Orte wie München, New York und Karlsruhe genannt! -, wurde er nach seinem Theologiestudium als Vikar nach Bad Neustadt entsandt und kam am 2. September 2002 als Pfarrer zur Anstellung (z.A.) in diese Landgemeinde – und blieb! Mehr noch: Hier heiratete er, hier kamen zwei seiner Kinder zur Welt, hier wurde er am 27. November 2005 vom damaligen Dekan Walter Luithardt installiert. Die erste Gemeinde sei ja so etwas wie die erste Liebe, meinte nun dessen Nachfolger Dekan Bruckmann und ermahnte vielleicht gerade deshalb die Gemeinde, „Ihren Pfarrer auch wirklich gehen zu lassen“, zumal dieser in erreichbarer Nähe im Dekanat Schweinfurt bleibt! Freilich dürfte der Appell wenig fruchten. Garantiert werden Dr. Weich immer wieder Anrufe erreichen wie: „Sie haben mich vor 10 Jahren in Poppenlauer konfirmiert. Jetzt möchte ich so gerne von Ihnen getraut werden.“


Grußworte durften an einem Tag wie diesem natürlich nicht fehlen, konnten aber nur das vertiefen und detaillieren, was bereits zur Sprache gekommen war: dass Dr. Weich einen „guten Beitrag zur Ökumene geleistet“ habe (Landrat Thomas Bold /Bad Kissingen), dass „die Zusammenarbeit mit ihm immer offen, vertrauensvoll und äußerst angenehm“ gewesen sei (Bürgermeister Johannes Wegner/Marktgemeinde Maßbach), dass „sein Geigenspiel uns an der Schule fehlen“ werde (Rektorin Angelika Kothmann-Loos/Grundschule Poppenlauer), dass auch bei schwierigen Gesprächen „über allem Freundlichkeit und gegenseitiges Interesse“ gestanden habe (der kath. Ortsgeistliche Manfred Finger) und dass mit Dr. Weichs Trauung „die Hochzeit des Jahres 2004“ gefeiert worden sei (KV-Vertrauensfrau Brigitte Bieber).


Mit teilweise von Tränen geröteten Augen stimmte schließlich der Kirchenvorstand das Abschiedssegenslied „Geh unter der Gnade“ an und versuchte dabei trotzdem das Sprichwort „Wenn’s am schönsten ist, soll man gehen“ zu bejahen. Draußen brach inzwischen die Dämmerung herein, aber die fröstelnden Kindergartenkinder hielten beharrlich aus, um dem Ausziehenden auch ihr Ständchen zu überbringen. Im Gemeindehaus und dann abermals in der Kirche ging es noch stundenlang weiter.


Die Feierlichkeiten finden ihre Fortsetzung in 14 Tagen: Am Sonntag, dem 16. Februar, steht nämlich in Schweinfurts Christuskirche Pfr. Dr. Weichs Installation als Erster Pfarrer an. Vielleicht wird er ja einst über diesen Wirkensabschnitt genauso resümieren wie jetzt über den in Poppenlauer: „Mein Leben war ganz neu hier“ – und dies sogar als gebürtiger Schweinfurter! Aber hoffentlich brennt erst einmal im bald bezugsfähigen Pfarrhaus an der Maibacher Straße das obligatorische Licht. Ob der Willkommensbeifall dort den Poppenläuerer Abschiedsapplaus noch toppen kann? Man darf gespannt sein.