Wir begrüßen einen richtigen Pfarrer

Einführung von Mulugeta Giragn Aga in Deutschhof

Teilgruppenfoto: Der neue St. Lukas-Pfarrer Mulugeta Giragn Aga (r.) zusammen mit seiner St. Lukas-Kollegin und Krankenhausseelsorgerin Susanne Rosa sowie Dekan Oliver Bruckmann

Schweinfurt-Deutschhof, So. 1. Okt. 2017. Stehplätze im Kirchsaal von Gut Deutschhof! Ein vom Kirchenchor festlich ausgestalteter und von vielen Kinderstimmen aufgelockerter Erntedank-Familiengottesdienst, - doch mit einem Special:

„Wir begrüßen einen richtigen Pfarrer“. Lang anhaltender Applaus der Gemeinde. „Ein Segen, dass Sie hier in St. Lukas sind!“ Dekan Oliver Bruckmann zeigt stolz auf Mulugeta Giragn Aga, den neuen Geistlichen in seinem Dekanat. Als er ihn vor ein paar Monaten den Kirchenvorstehern von St. Lukas präsentierte, fragten diese den aus Äthiopien gebürtigen Farbigen, was er denn machen würde, wenn ihm bei einem Hausbesuch die Tür zugeschlagen werde: „Dann bleibe ich freundlich und komme wieder vorbei. Denn ich komme nicht allein. Gott ist immer bei mir“. Diese Antwort beeindruckte den KV, der ihm sofort die Tür der Gemeinde weit öffnete.

Der 2003 in der äthiopischen evangelischen Kirche Ordinierte hatte 2009 ein Stipendiat für interkulturelle Theologie in Göttingen erhalten. Doch kritische Äußerungen gegen die Menschenrechtsverletzungen in seiner Heimat verhinderten seine Rückkehr. So fand er in Deutschland Asyl, eine neue Heimat und schließlich wieder in seinen Pfarrerberuf zurück. Der bereits seit 2012 in Schweinfurt Wohnende wurde nun, nach einem Spezialvikariat in Würzburg, mit Wirkung vom 1. September 2017, als Pfarrer auf Dienstvertrag im Umfang eines vollen Dienstverhältnisses vorgestellt und – unter Handauflegung und Segen des Dekans - in sein Amt auf der zweiten St. Lukas-Stelle im Sprengel Deutschhof eingeführt. Damit ist er der erste Afrikaner im regulären Pfarrdienst in der evangelischen Landeskirche in Bayern.

Äthiopien erlebte durch einen Militärputsch 1974 das Ende des Kaiserreiches unter Haile Selassie. Seit 1991 steht das Land unter der autoritären Regierung der EPRDF („Revolutionäre Demokratische Front der Äthiopischen Völker“). Christen sind dort immer wieder schweren Repressalien ausgesetzt.

Auch aus der Antrittspredigt des Pfarrers ließen sich politische und sozialkritische Töne heraushören, noch dazu ihr ein alttestamentlicher Prophetenappell zugrunde lag: „Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus“ (Jesaja 58). „Erntedank! An welche Gaben Gottes denken wir dabei?“ fragte Mulugeta. Diese seien eben nicht nur Nahrung, Gesundheit oder ein Dach überm Kopf, sondern genauso moderne Technologie und ein gutes Schulsystem. Auch dass die Bundestagswahl ohne Zwischenfälle verlaufen sei, sei ein Grund, Gott dafür zu danken. Wie anders dagegen die Lage in Äthiopien, wo die Herrschenden ihre politische Macht um jeden Preis zu verlängern versuchen würden.

Freilich beinhalte Dankbarkeit die Verpflichtung, mit anderen zu teilen. „Wer in unserer Umgebung oder in der Ferne braucht unsere Hilfe?“ Damals in biblischen Tagen habe Gott den Israeliten Hoffnung, Trost und einen neuen Anfang in ihrem zerstörten Land geschenkt, aber auch die Aufgabe gestellt, in Recht und Gerechtigkeit miteinander umzugehen. „Gott hilft uns, dankbar zu sein und die Lasten der anderen tragen zu helfen.“ Doch sollten wir die Leute, die unsere Hilfe brauchen, nicht nur als eine Last, sondern auch als eine Gabe Gottes betrachten. Teilen dürfe nicht bloß aus dem Überfluss heraus erfolgen, sondern müsse aus offenem Herren kommen und mit Liebe geschehen. Abschließend erinnerte Mulugeta an Jesu Wort: „Was ihr getan habt einem unter meinen geringsten Brüdern (und Schwestern), das habt ihr mir getan!“

Schweinfurts Zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert, die den Grußwortteil eröffnete, präsentierte sich gut informiert über die lutheranische Gemeinde in Äthiopien und deren problematisches Verhältnis zu den Muslimen. Pfarrer Mulugeta, den sie seit längerem kennt, attestierte sie große interreligiöse Kompetenz.

Karlheinz Götz, Vertrauensmann des St. Lukas-Kirchenvorstands, lobte die Aufgeschlossenheit des Pfarrers: „Sie hat uns alle überzeugt.“ So sei es nach 15-jähriger gemeindlicher Kontinuität mit Pfarrerehepaar von Rotenhan gelungen, nach deren Weggang nahtlos - nicht zuletzt dank Intervention des Dekans - zumindest eine der beiden Pfarrstellen wieder zu besetzen.

Pastoralreferentin Maria Garsky überbrachte die Grüße der katholischen Pfarrei Heilig Geist und überreichte dem Pfarrer ein Herbstlaubblatt: Dessen Buntheit stehe für die Vielfalt in Gottes Schöpfung, aber auch für die Vielfalt in der Ökumene.

Ein besonderer Gast war Reverend Dr. Tasgara Hirpo aus Hermannsburg, Zweiter Vorsitzender des Vereins „Menschenrechte am Horn von Afrika“. Er berichtete über die äthiopische evangelische Mekane-Yesus-(„Ort Jesu“)-Kirche: 1959 gegründet und von lutherischen Missionaren, unter anderem aus Deutschland, Schweden und den USA unterstützt, zählt sie nach seinen Angaben inzwischen 8,3 Mio. Mitglieder. Hirpo grüßte im Namen der Oromo-Gemeinden. Zwanzig Mitglieder dieser größten ethnischen Gruppe Äthiopiens, im Exil in Deutschland lebend, waren eigens aus München, Frankfurt und Nürnberg zu dieser denkwürdigen Einführungsfeier angereist: „Wir sind als Gemeinde unter euch!“

(Weitere Informationen über den neuen Pfarrer und seine Selbstvorstellung, s. LINK: https://www.schweinfurt-evangelisch.de/inhalt/pfarrstelle-st-lukas-ii-de...)

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