Jubiläums-Dekanatsfrauentag in Obbach
Obbach, Sa. 10. Nov. 2018. Immerhin 60 Frauen aus den Dekanatsgemeinden kamen in der Obbacher Kirche zusammen, um ein gleich dreifaches Jubiläum zu begehen:
- 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland,
- 85 Jahre Frauenwerk Stein e.V.: die Fachstelle für Frauenarbeit in der evang.-luth. Landeskirche in Bayern, aus dem Bayerischen Mütterdienst hervorgegangen,
- 30 Jahre Dekanatsfrauentag im Dekanat Schweinfurt.
Aus diesem Anlass hatte die Sprecherin der Dekanatsfrauenbeauftragten, Brigitte Buhlheller, die Bamberger Schauspielerin Heike Bauer-Banzhaf, im Übrigen Trainerin, Coach, Rednerin und Moderatorin, eingeladen. Bauer-Banzhaf war bereits im Lutherjahr 2017 als Käthe Luther im Martin-Luther-Haus Schweinfurt erfolgreich aufgetreten.
Diesmal schlüpfte sie in die Rolle der Ecclesia, sprich "Frau Kirche", genauer „ecclesia semper reformanda“, und nannte sich daher „die sich ewig Wandelnde“. Dazu hieß es in der Einladung: „Ecclesia nimmt kein Blatt vor den Mund und eröffnet vor der aktuellen Situation der Kirche(n) eine große Spielwiese mit teils urkomischen, teils tiefsinnigen Gedankenspielen, die gleichzeitig zum Nachdenken anregen.“
Ja, um die mannigfaltigen, leider nicht immer positiven Wandlungen der Kirche in ihrer 2000-jährigen Geschichte ging es in dieser unkonventionellen Performance. Engagiert, humorig und doch hintergründig ernst ermutigte die Darstellerin in ihrem Monolog – korrekt: Monodrama - dazu, sich wieder der Werte der Ur-Kirche aus den Anfangstagen des Christentums bewusst zu werden: damals eine Bewegung von unten her, die zu den Menschen hinging und wo noch die Gemeinde „ecclesia“ hieß, während es heute so scheine, als würde die Institution Kirche von oben, von den Amtsträgern her, bestimmt. Distanz statt Nähe sei mitverantwortlich für den Mitgliederschwund. Und immer noch gebe es die drei „D"s: „Das haben wir immer schon gemacht. Das hat sich bewährt. Da könnte ja jeder kommen.“
Und schon griff sie kritisch den aktuellen, von der bayerischen Landeskirche initiierten PuK-Prozess („Profil und Konzentration“), der u.a. darauf abziele, dass Kirche wirtschaftlicher denken müsse, weswegen man Profis, „die sich damit auskennen“, ins Boot hole, etwa die Unternehmensberatungsgesellschaft McKinsey & Company. Alles laufe auf eine Firma „Kirche“ hinaus, doch es bleibe zweifelhaft, ob man damit die Kirche wieder vollkriege.
Des Weiteren ging Frau Bauer-Banzhaf sarkastisch auf den Info-Service der evangelischen Kirche, die bundesweite Telefon-Hotline, zumal ehrenamtlich von Frauen betreut, ein und ahmte „Gabi von der Jesus-Hotline“ nach, die marketingmäßig zu kirchlichen Dienstleistungen wie Taufen (inkl. Angebot eines Kindergartenplatzes!) und Hochzeiten animierte, auch wenn es dabei oft lange „Lieferzeiten“ gebe. Doch wo ist die Kirche gut aufgestellt? „Beim Sterben haben wir einen reichhaltigen Erfahrungsschatz“ - nicht zuletzt immer noch mit der Angstmache vor dem richtenden Chef-Vater im Himmel.
Bedauerlich auch „das Gesicht der Firma“, denn sie lebe „seit 500 Jahren in Trennung“. Die Schauspielerin sprach von kirchlichen „Zwischentiefs“ in Europa, besonders in Deutschland. Und wieder ironisch: „Eigentlich läuft doch alles ganz gut. Es kommen noch einige an Weihnachten, Ostern in die Kirche.“
Und wie ist es um die Ökumene bestellt? Kardinal Marx und Landesbischof Bedford-Strohm seien zweifellos „ziemlich beste Freunde“, „aber es passiert nichts“. Nur bei den Kirchentagen komme „etwas Stimmung in der ökumenischen Bude“ auf.
Über die katholische Kirche: „Warum können dort Frauen immer noch keine Filialleitung übernehmen?“ Aber leider lasse man schon in der Bibel Frauen schlecht wegkommen. Beispielsweise habe Aegidius von Rom im 13. Jh. die Apostelin Junia einer Geschlechtsumwandlung unterzogen und aus ihr den Mann Junias (so dann auch Luther, s. Römer 16,7) gemacht. Selbst Gott habe man die Männer-/Vaterrolle aufgepresst: „Der Herr sieht alles!“
Fazit: Wandel sei notwendig. Nur eine wandlungsfähige Kirche bleibe lebendig, denn das Lebensrad drehe sich unweigerlich weiter: „Panta rhei“ - alles fließt. Jede neue Lebenserfahrung lasse doch die Seele wachsen. Bauer-Banzhafs ekklesiales Schlussvotum: „So wenig Institution wie nötig, so viel verbindende Geistkraft wie möglich!“, dazu ein Plädoyer für die „Vision des Mannes aus Nazareth für eine gerechtere Welt.“ Nach über einer Stunde durfte endlich der Applaus aufbranden.
Zum weiteren Programm gehörte die Vorstellung der Obbacher Kirche und ihrer Geschichte durch Pfarrerin Corinna Bandorf, die auch beim anschließenden gemütlichen Kaffeetrinken ein Grußwort sprach. Dort präsentierte die scheidende Dekanatsfrauenbeauftragte Brigitte Buhlheller einen Rückblick auf die bisherigen 30 Dekanatfrauentage im Dekanat Schweinfurt: Begonnen hatte alles am 15. Juli 1989 im Martin-Luther-Gemeindehaus von St. Johannis. Damals hieß es noch „Arbeitsbereich ‚Frauen in der Kirche‘“, und Frauen wurden hineindelegiert. Die erste (Mit-)Delegierte war Ilse Vogel, die an diesem Nachmittag in Obbach wieder dabei war. Frau Buhlheller listete die behandelten, immer brisant-aktuellen Frauen-Themen jener drei Jahrzehnte auf, unter anderem: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“, „Frauen und Flucht“, „Zwangsprostitution“, „Häusliche Gewalt“ und „Frauen der Reformation“. Der Dekanatsfrauentag habe sich zu einem wahren „Oasentag für Frauen“ entwickelt. Dazu passte das gemeinsame Lied „Vergiss nicht zu danken dem ewigen Herrn“.
Für Frau Buhlheller war es nach jahrzehntelangem Engagement die letzte von ihr und ihrem Team organisierte Veranstaltung, für das ihr großer Dank zu zollen ist. Eifrig rührte sie am Ende die Werbetrommel, dass sich nun andere als Dekanatsfrauenbeauftragte „für eine lebendige, christlich-orientierte, zukunftsfähige Frauenarbeit“ engagieren mögen. Denn diese bildeten ein wichtiges Bindeglied zwischen den Gemeinden vor Ort und dem Dekanat. Buhlheller wünschte auch eine Fortführung der Vielfalt und Lebendigkeit der Frauentage. Aber wer kandidieren und wie es nach der Neuwahl weitergehen wird, stand natürlich an diesem Nachmittag in der Oase Obbach noch nicht fest.