„Totgeglaubte leben länger“ oder: „Es geht nicht um Heiligsprechung“

Zum Abschied von Pfarrer Martin Schewe aus Schweinfurt

Wie wir die beiden in Erinnerung behalten: Pfrin. Valerie Ebert-Schewe und Pfr. Martin Schewe (Foto: Harry Walter)

Schweinfurt-Christuskirche, 15. September 2013. Landtagswahl in Bayern und seine Verabschiedung: Für Martin Schewe kein Problem, beide Themen „unter einen Hut“ zu bringen. Es sei eine gute Wahl, am Wahlsonntag Gottes Wort zu hören und trotz konfessioneller, glaubender und politischer Verschiedenheit Gott zu loben, betonte er in seiner Begrüßung. Denn „das Sehnen nach dem Sinn unseres Lebens sollte uns erhalten bleiben.“

Über politische Prominenz in der vollbesetzten Christuskirche konnte der scheidende Pfarrer beileibe nicht klagen. Oberbürgermeister Sebatian Remelé (CSU) und Schweinfurts Dritte Bürgermeisterin und SPD-Vorsitzende Kathi Petersen saßen ganz vorne, obwohl das Wahlende mit erster Prognose schon in beträchtliche Nähe gerückt war.

Laut Programmzettel sah es nach einem liturgisch korrekten Sakramentsgottesdienst aus, festlich ausgestaltet vom Evangelischen Posaunenchor unter Leitung von Wolfhart Berger und der Sopranistin Erna Rauscher, begleitet vom Organisten Martin Hub. Aber Schewe war und ist immer noch für Überraschungen gut. Mitten in die Feier hinein ließ er sein Handy klingeln und fingierte einen Anruf von seiner neuen St. Georg-Kirchengemeinde Nürnberg-Kraftshof. Bei ihr entschuldigte er sich, schon an seinem ersten Arbeitstag – eben wegen seiner Verabschiedung - nicht vor Ort sein zu können. Stattdessen waren tatsächlich einige Gemeindemitglieder aus Nürnberg gekommen und bekamen gleich noch mehr Kostproben von Schewes Gedankenblitzen, sozusagen als Vorschusslorbeeren, geboten.

In seiner Predigt hielt er sich zwar an den vorgegebenen Text von Jesu Auferweckung des Jünglings von Nain (Lukas 7,11-17), brachte ihn aber wieder geschickt mit seiner Verabschiedung zusammen. Vielleicht werde ja seine Gemeinde nach seinem Weggang „auferstehen“, meinte er ironisch. Für viele sei dieses Jesus-Wunder ein Märchen, andere nähmen es für bare Münze. Er – Schewe – habe oft genug bei Trauerfeiern den Tod als das unumkehrbare Ende erlebt. Natürlich gebe es manchmal Ausnahmen, wie Nahtod-Erlebnisse oder das Aufwachen aus jahrelangem Koma. Doch wie die alte biblische Botschaft aktuell und erfahrbar machen? An drei, zugegeben sehr disparaten, Beispielen machte dies der Pfarrer deutlich:

-  Das Gedenken an die Zwangsarbeiter, das die Stadt Schweinfurt seit mehreren Jahren intensiv pflege, lasse totgeschwiegene Geschichte lebendig werden, sei also so etwas wie ein Auferstehungsereignis.

- Zum anderen habe der melodramatische Spielfilm „Titanic“, von religiösen Motiven durchsetzt, bewirkt, dass der Name von Menschen, ertrunkenen wie geretteten, nicht ausgelöscht wurde.

- Und ganz profan: Der FC Bayern sei aus der Schmach gegen den BVB dank Pep Guardiola auferstanden.

Stolz präsentierte der Pfarrer einen FC-Bayern-Schal und die Vereinsfahne und schloss mit den Worten: „Totgeglaubte leben länger“ und, in Anspielung an das gängige Kirchenlied: „Wer aufsteht, der kann hoffen in Zeit und Ewigkeit.“

Dann kam Dekan Oliver Bruckmann zum Zuge und würdigte das zehnjährige Wirken des Pfarrers: Am 1.8.2003 trat er zusammen mit seiner Frau Valerie Ebert-Schewe die 2. Pfarrstelle Christuskirche an. Schon ein Jahr später, am 1. Oktober, wechselten beide auf die 1. Stelle, bis die Pfarrerin 2009 die Gemeinde Zell mit Weipoltshausen und Madenhausen übernahm und er seither der Christuskirche allein vorstand. Der Dekan lobte Schewes Begabung, Menschen in besonderer Weise anzusprechen, - auch diejenigen, die  kritisch, fragend, suchend der Kirche gegenüberstünden. Dadurch habe dieser das Profil der Stadtkirche entscheidend geprägt und sich auch um die Ökumene verdient gemacht. Aber „es geht nicht um Heiligsprechung“, denn noch keinem Pfarrer sei alles gelungen, auch Schewe nicht.

Anschließend sprach ihm der Dekan den Segen Gottes für seine neuen Aufgaben zu, in den er auch Pfarrerin Ebert-Schewe mit einbezog: „Auch Sie gehören zur Ära Schewe!“

Für die Gemeinde gut zu wissen: Während der Vakanz wird Pfr. Christian von Rotenhan (St. Lukas) geschäftsführend tätig sein. Den Konfirmandenunterricht teilen sich Pfrin. Eva Loos (Dreieinigkeitskirche) und Diakonin Stefanie Kienle.

Den Grußredner-Reigen eröffnete OB Remelé: Er verglich seinen mit Schewes Amtsantritt. Remelé musste 2010 in die Fußstapfen der allbekannten Gudrun Grieser treten, Schewe dem  charismatischen und durchsetzungsmächtigen Pfarrer Martin Steinbach nachfolgen, der Dekan in Bad Tölz wurde. „Sie haben die Fußstapfen voll ausgefüllt und neue Meilensteine gesetzt.“ Remelé erinnerte auch an den Mut des Pfarrers, einst den Dienst in der NVA verweigert und „produktive Hartnäckigkeit“ an den Tag gelegt zu haben, die er als OB selbst zu spüren bekommen habe, etwa bei Verhandlungen über den Kindergarten-Ausbau. „Schade, dass Sie gehen.“

Landessynodalin Renate Käser durfte am Rednerpult ebenso wenig fehlen wie Pfarrerin Christhild Grafe, Vertrauensfrau des 38-köpfigen Pfarrkapitels. Erstere dankte Schewe dafür, dass er die bis zu 5000 Jahre alte biblische Botschaft zeitgemäß in Beziehung zu den Lebensfragen der Menschen heute gesetzt habe. Auch würdigte Käser die Ehrenamtlichen-Arbeit an der Christuskirche, besonders die des „Special“-Teams, das 58 Gottesdienste in modernem Outfit, an ausgefallenen Locations gestaltete.

Pfarrerin Grafe überreichte das obligatorische geistliche Mirabellenwasser und gab ein „Elfchen“-Gedicht zum Besten, das u.a. Schewe charakterisierte mit „geschätzter Kollege“, „streitbar“, „engagiert“, „offen im Gespräch“, „ökumenischer Weitblick“ und und und.

Selbstverständlich sprachen auch Vertreter der Ökumene, so Pastor Andreas Jahreiß von der evangelisch-methodistischen Kirche, der mit Pfr. Schewe sehr freundschaftlich verbunden war, und der katholische Kollege Pfarrer Stefan Redelberger samt Mitarbeiterinnenteam von der Pfarreiengemeinschaft St. Anton / Mariahilf. Sie betonten die verlässliche ökumenische Zusammenarbeit und überreichten dem Pfarrer ein Licht der Ökumene!

Nach drei Stunden war noch lange nicht Schluss, aber das Interesse vieler, den Ausgang der Landtagswahl zu erfahren, wurde doch sichtbar größer. Alles hat eben seine Zeit: auch eine Verabschiedung. Den Schewes alles erdenklich Gute und weiterhin pfiffige Ideen nun vor Nürnberger Publikum!

 

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