Gott und die Welt in der Kunsthalle

Eröffnung der Triennale III

Katzenkopf oder Rakete? Auflösung in diesem Artikel

Schweinfurt, Do., 29. Okt. 2015. Kunsthalle im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad: Vernissage zu Schweinfurts dritter Triennale. 2009 zum ersten Mal durchgeführt, ist sie „erfreulicherweise zu einer der wichtigen Präsentationen zeitgenössischer Kunst in und aus Franken geworden“, so der Leiter der Kunsthalle Dr. Erich Schneider in seiner Begrüßung der Gäste aus nah und fern.

„UND“: ein Blick- und ein Menschenfang bereits auf dem Vorplatz: Einen „Zwischen-Raum. Begehbar, besetzbar“ nennt der Künstler Stefan Lautner sein Raumobjekt. Eine blendend weiße, weiche Kunststoffhülle umgibt den Kubus, das „UND“. Von mehreren Seiten gelangt man durch Folienstreifen nach innen in einen hölzernen, leeren Kern: ein Rückzugs-, Schutz-, Begegnungsraum oder eben ein Übergangsraum, Bindeglied zwischen Welt und Gott. Man kann die riesigen Lettern „UND“ außen und innen erkennen.

In der überfüllten Haupthalle der Kunsthalle gibt es einen anderen Blickfang, eine Art silberne Mondlandefähre mit begehbarer Einstiegsluke mittels Rampe, darüber ein katzenkopfartiger Aufbau bis hinauf zur Decke. Vielleicht doch ein Raumschiff. Titel: „Beyond all the Cares of the World“, also auf gut Deutsch: „Jenseits aller Sorgen der Welt“: ein rettendes Fluchtfahrzeug, eine moderne Arche Noah, die Mensch und Tier aus der Zerstörung der Umwelt befreit und auf eine „Reise in ein besseres Dasein“ mitnimmt – so laut Ausstellungskatalog das Künstlerduo Böhler/Orendt. Aus dieser Welt zu Gott?

Denn die Triennale III steht unter dem Motto „Gott und die Welt“ und ist eine Koproduktion mit dem evangelischen Dekanat Schweinfurt im Rahmen der Luther-Dekade. Gerade auf dem verbindenden „und“ liegt der Ton. Die Kunstschaffenden gehen der Frage nach, wie sich Gott und die Welt – möglicherweise! – berühren und durchdringen. Wo ist Gott in der Welt zu finden?

Als Wunschkandidat für die Aufgabe des verantwortlichen Kurators konnte Kirchenrat Helmut Braun, der Kunstreferent der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, gewonnen werden. Persönlich hat er fränkische Künstler, einige auch aus Schweinfurt, besucht und 19 mit je einem oder mehreren ihrer Kunstwerke ausgewählt – sei es in Plastik, Zeichnung oder in Raum-, Klang- und Lichtinstallationen. Somit bietet die Ausstellung einen „Querschnitt zeitgenössischer Kunst aus dem fränkischen Raum“. Experimentierfreudigkeit und Innovation werden großgeschrieben. „Wahrnehmung einüben“ - das ist das Desideratum des Kurators, der jeden der 19 vorwiegend jungen Kunst-Schöpfern – ältester ist der 1936 geborene Werner Knaupp – vorstellte. Sie hätten nach verbindenden Elementen zu den beiden Polen „Gott und die Welt“ gesucht, weshalb ihre Kunstwerke ein „Spiegel des großen Ganzen“ seien.

Oberbürgermeister Sebastian Remelé nannte sie ein „Kaleidoskop", das „dem Betrachter ein vielfältiges Spektrum höchst individueller künstlerischer Ausdrucksformen – noch dazu an unterschiedlichen Ausstellungsorten“ biete. Denn außer in der Kunsthalle befinden sich weitere Installationen in den beiden Hauptkirchen: der evangelischen St. Johannis- und der katholischen Heilig-Geist-Kirche, sozusagen ein ökumenisches Joint Venture.

In seinem Grußwort erinnerte Dekan Oliver Bruckmann zunächst an die beiden bereits in diesem Jahr zusammen mit ihm arrangierten Ausstellungen: im Georg-Schäfer-Museum „Biblische Landschaften“ des Malers Johann Wilhelm Schirmer aus dem 19. Jh. und im Otto-Schäfer-Museum „Bilder des Glaubens in der Zeit Martin Luthers“, also aus dem 16. Jh. Die Ausstellungstrias „16-19-21“ schließe mit der Zahl 21, das heißt dem 21. Jh.

Bruckmann weiter: Die zeitgenössische Kunst „konstruiert die Wirklichkeit permanent neu. Sie setzt an den existenziellen Fragen des Menschen an: Was ist der Mensch? Woher kommt er und wohin geht er? Wozu ist er da? Welchen Sinn hat das Leid und wo liegt das Glück? In diesem Horizont ventiliert Kunst Werden und Vergehen, Zeit und Ewigkeit, Gelingen und Verderben. Sie schafft polyvalente Zugänge zu dem, was Menschen unbedingt angeht.“ Kunst verlange das persönliche Bekenntnis und sei darum im tiefsten Sinne Verkündigung. Der Dekan freute sich ausgesprochen über das Gespräch mit den Kunstwerken und wünschte allen Besucherinnen und Besuchern „viele aufschlussreiche Entdeckungen und spannende Erfahrungen“.

Beispielsweise war trotz der Menschenmenge die „Große Schwebe“ unübersehbar: Meide Büdel hat fünf Quader aus gerostetem Industriestahl an 20 Hängepunkten mit Stahlseilen befestigt, so dass sie, aneinander gereiht, einen schwebenden Vier-Meter-Balken ergeben, der sich in Schwingungen versetzen lässt. Durch die Reibung der Hohlkörper entsteht eine kinetische Sphärenklangkomposition. „Ein tiefes Ein- und Ausatmen mag assoziiert werden, das immer leiser und flacher wird und schließlich völlig verstummt.“ Im Zusammenspiel mit den klagend-melancholischen Klarinettentönen von Matthias Kügler / Musikschule Schweinfurt, der für die musikalische Umrahmung des Abends sorgte, wurde eine beeindruckende Atmosphäre erzeugt. Das Plenum ging im wahrsten Wortsinne in sich.

Noch ein Abstecher nach St. Johannis bei Nacht: Die Kirche besitzt „Klammerfunktion zu den Kunstwerken“ (so Helmut Braun): Vor dem Hochaltar im Chorraum, worunter sich Gräber aus dem Mittelalter befinden, liegt eine zwölfteilige Werkgruppe, geschmiedet aus Eisen. Für den Künstler Werner Knaupp ist es eine „Lebensspur“. Zwar sind es zwölf schwarze, hohle Figurenhüllen, Mumien ähnelnd, „vereint im Stadium ihres irreversiblen Verfalls“: kleine und große Körperfragmente, nebeneinander platziert. Aber, wie das Altarbild „Auferstehung“ von Adolf Kleemann suggeriert, sind sie zugleich Spur des Lebens.

Über Kunst lässt sich trefflich streiten, sicher auch über die Exponate der Triennale III. Für Kurator Helmut Braun klingt das Motto „Gott und die Welt“ wie „alles oder nichts“, - meines Erachtens etwas zu euphorisch . Aber er ist sich selber „der Gefahr einer Überinterpretation und einer vorschnellen und einseitigen Festlegung durchaus bewusst“. Eine „aufregende Ausstellung“ (so Erich Schneider) bleibt es allemal – und zwar im beabsichtigten Doppelsinn des Wortes „Aufregung“. Was es zum Beispiel mit dem Schweifstern, bestehend aus einem Hochzeitskleid, auf sich hat oder warum eine Badeleiter fast in Höhe der Decke hängt, mag nun jede und jeder persönlich erkunden und ihr/sein Urteil über alles oder nichts bilden. Genug Zeit dazu besteht: Die Ausstellung ist gut vier Monate, bis zum 13. März 2016, zu bewundern.