Geschenk des Himmels für einen allzu kurzen Augenblick

Einweihung des Grabfeldes für stillgeborenes Leben

Die Gedenkstele vor ihrer Enthüllung

Schweinfurt, Do. 10. Nov.2016. Wenn der Traum von Familie von einem Tag zum anderen zerplatzt! „Kein erlösender Schrei, nur erstarrte Blicke, Leere und Schmerzen, ein Gefühl der Verlassenheit“ - Äußerungen von Eltern über stillgeborenes Leben, ohne Geburtsschrei! Sie verstehen Gott und die Welt nicht mehr und fragen: „Warum dieser sinnlose Tod?“ Nicht alle können in den Fehl- und Totgeborenen, diesen sogenannten „Sternenkindern“, „ein Geschenk des Himmels für einen allzu kurzen Augenblick“ erkennen.

Überraschend viele Personen, über fünfzig, hatten sich an diesem nasskalten Novembertag im Hauptfriedhof eingefunden, unter ihnen der katholische Stadtdekan Stefan Redelberger, der stellvertretende Landrat Peter Seifert und Schweinfurts Zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert: Direkt gegenüber dem bisherigen Gräberfeld für stillgeborene Kinder fand die Einweihung des neuen Grabfeldareals mit einer ökumenischen Segensfeier statt, ansprechend gestaltet von den SeelsorgerInnen der beiden Schweinfurter Krankenhäuser Leopoldina und St. Josef.

Zunächst erzählte Pfarrer Franz Feineis die seit dem Jahr 2000 währende Vorgeschichte: wie er damals an einer hauptsächlich von Hebammen besuchten Tagung „Tod am Anfang des Lebens“ teilnahm, wo man eigentlich gar keinen Seelsorger erwartete. Wie schockiert er war, als er vom Usus hörte, dass fehlgeborene Kinder in den organischen Abfall der Krankenhäuser kamen. Nicht zuletzt auf sein Betreiben hin gab es 2001 das erste Grab mit gleich mehreren Bestattungen. Doch abgetriebene Kinder würden bis heute nicht beerdigt, beklagte Feineis.

Pastoralreferentin Graziella Augelli-Pöppel resümierte die vor zwei Jahren erfolgte Planung eines neuen Gräberfeldes. Für Eltern sei ein persönlicher, würdiger Trauerort immens wichtig. Augelli-Pöppel nannte erschreckende Zahlen: 1400 Geburten gebe es etwa pro Jahr im Leo-Krankenhaus, davon würden allein 200 Eltern ihr Kind verlieren. Alle acht Wochen werde ein ökumenischer Gottesdienst auf dem Friedhof gefeiert und 25-30 Föten oder Embryonen, zwischen sechs und 22 Wochen alt, beigesetzt.

Anschließend hielt Pfarrerin Susanne Rosa eine Andacht über Trostworte des Propheten Jesaja (49,13-16) an die nach Babylonien exilierten Juden. Denn Gott habe die Seinen nicht vergessen: „Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet“. Trotz ihres glaubenserschütternden Verlustes dürften sich genauso Eltern und ihre verstorbenen Kinder bei ihm gut aufgehoben wissen: „Du stehst in meiner Hand. Du hast einen Namen.“

Dezent untermalte eine Vierer-Bläsergruppe die geistliche Feier, unter anderem mit „Ich bete an die Macht der Liebe“ und „Bewahre uns Gott, behüte uns, Gott; sei mit uns auf unsern Wegen!“

Es folgte ein Grußwort von Schwester Monika Edinger, der Generaloberin der Kongregation der Schwestern des Erlösers Würzung – als Träger des konfessionellen St. Josef-Krankenhauses. Dies sei ein Ort, der zum Schweigen veranlasse, aber es gelte, die Ohnmacht auszuhalten und Fragen offen zu lassen. Zusammen mit Krankenhausdirektor Martin Stapper (Gitarre) stimmte sie das Lied an: „Manchmal braucht es keine Worte, wenn die Augen sich versteh‘n. Wenn sie eine Brücke schlagen, kann die Seele darauf geh‘n...“ Damit weckte sie bereits Assoziationen an die installierte Holzbrücke, „die hinüberreicht ins Leben bei Gott“.

Auf das Rückert-Jubiläumsjahr bezogen, rezitierte Schweinfurts Zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert aus dessen „Kindertotenliedern“: „Ihr habet nicht umsonst gelebt. Was kann man mehr von Menschen sagen? Ihr habt am Baum nicht Frucht getragen und seid als Blüten früh entschwebt. Doch lieblich klagen die Lüfte, die zu Grab euch tragen: Ihr habet nicht umsonst gelebt.“ Lippert dankte im Namen der Stadt und des Landkreises für die Realisierung des Grabfeldes. Und nochmals Rückert: „Du lebst in meiner Klage und stirbst im Herzen nicht.“

Dann segnete Pfarrer Feineis das Gräberfeld und übergab es seiner Bestimmung. Alle Spender und Stifter fanden namentlich lobende Erwähnung (die Unterstützer stehen auch auf der Gedenktafel). Zum Beispiel wurde besagte Holzbrücke – Symbol der Verbundenheit – vom Wasser-, Straßen- und Schifffahrtsamt (WSA Schweinfurt) im Rahmen eines Ausbildungsprozesses hergestellt.

Am Ende der Feier durften alle Anwesenden eine Gedenkkerze anzünden. Jede und jeder fühlte auf dem Nachhauseweg: Leben ist ein allemal ein Geschenk, egal wie lange es währt.