„Auf dass mein Haus voll werde“

Erster Virtueller Kirchentag

SW-Christuskirche, Sa. 8. Okt. 2016. Als „eine Premiere im Zeichen des 21. Jahrhunderts“ war der Event offiziell apostrophiert und groß beworben worden. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern – in Zusammenarbeit mit Mission EineWelt Neuendettelsau – hat einen virtuellen Weltkirchentag, englisch: ein „churchfestival“, durchgeführt. „Welt“ heißt in diesem Fall die Mitbeteiligung der bayerischen Partnerkirchen evangelisch-lutherischen Bekenntnisses in Europa, Afrika und Übersee, d.h. Papua-Neuguinea, Brasilien, Tansania, Liberia, Ungarn und Malaysia.

Einen vollen Samstag lang kommunizierten also Kirchengemeinden hierzulande und dort per Webplattform miteinander mit der Zielsetzung, gemeinsam virtuell Gottesdienst zu feiern, Videovorträge zu hören und zu diskutieren, in einem virtuellen Chor gemeinsam ein Lied über Grenzen hinweg zu singen, gleichzeitig vor Gott im Gebet zu stehen und sich in Gesprächsgruppen vertieft auszutauschen. Viele Programmpunkte waren im Vorhinein aufgezeichnet worden, um sie, versehen mit deutschen/englischen Untertiteln, auszustrahlen.

Zwar konnte jede und jeder für sich via Internet-Livestream den Tag auch zu Hause miterleben, aber die Planer wollten, dass sich Gruppen in einem Raum zusammenfänden, um gemeinsam digital teilzunehmen. Eine solche Empfangs- und Kommunikationsstation war im Dekanat Schweinfurt in der Christuskirchengemeinde errichtet. Mit hohem technischem Equipment waren es eigentlich sogar drei verschiedene Arbeitsplätze, ausgestattet je mit Laptop, Beamer und Leinwand, damit sich verschiedene Kleingruppen ungestört an dem Gottesdienst- und Vortragsangebot hätten beteiligen, die einen das offizielle und die anderen das individuelle Programm verfolgen können.

Leider blieb es im großen Rund der Christuskirche bei nur einer Gruppe von 14 Leuten, darunter etliche Brasilienpartnerschaftsbeauftragte, denen es primär um den Chat von Angesicht zu Angesicht mit den evangelisch-lutherischen Gemeinden in Rio de Janeiro zu tun war. Namentlich genannt seien Renate Käser, Dekanatsbeauftragte für Partnerschaft, Mission und Entwicklungsdienst, die Dekanatsmissionspfarrerin Christhild Grafe und Pfr. Christoph von Seggern, Leiter der Regionalstelle Bayern-Nord von Mission EineWelt in Bamberg.

Um 16.00 Uhr begrüßte Hausherr Pfr. Dr. Wolfgang Weich die Gekommenen und blendete sodann in den Gottesdienst mit Bischof Jensen Seyenkulo (Lutherische Kirche in Liberia) ein, dem sich ein Friedensgebet zu Johannes 14,27 (“Meinen Frieden gebe ich euch”) anschloss. Im offiziellen Programm folgte ein Vortrag von Simone Sinn, Referentin für öffentliche Theologie und interreligiösen Dialog im Lutherischer Weltbund. Sie stellte zum Leitthema des Tages „Weltweite Gerechtigkeit und Frieden“ Reflexionen darüber an, wie wir einander – interkulturell und interreligiös – begegnen und miteinander ins Gespräch kommen könnten. Dies illustrierte sie biblisch anhand von Jesu Begegnungen mit der Samaritanerin am Brunnen, der Syrophönizierin und mit dem Zöllner Zachäus.

Freilich kommunizierten derweil die Zusammengekommen mehrheitlich mit den brasilianischen Freunden, unter ihnen Vilma Petsch, die Leiterin der Creche Bom Samaritano, Pastor José Kowalska, der seit einem Jahr in der Ipanema-Gemeinde Dienst tut, dabei im Hintergrund immer wieder auch der frühere Pastor Mozart zu sehen, und Pastorin Lisa Brehm, in Rio-Niteroi tätig.

In bester eindrücklicher Erinnerung dürfte jedoch die Zuschaltung von Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm aus seinem Arbeitszimmer bleiben, der – welch eine Ehre! - sich tatsächlich rund eine Stunde Zeit für die lokale Kleingruppe nahm und dabei auch in die Konferenzschaltung mit den Brasilianern eingebunden wurde. Er ließ sich über die Partnerschaft und die Creche-Kita mit ihren hundert Kindern aus den Favelas genauso unterrichten wie über die politische Situation nach den Olympischen Spielen in Rio: „Die Gewalt ist wieder neu ausgebrochen. Es wird nachts geschossen“ - so Vilma Petsch. Der Bischof: „Nun weiß noch eine Person mehr Bescheid über Ihre Gemeinde und wird für sie beten.“

Sehr interessiert, ja geradezu euphorisch zeigte sich der Bischof aber auch am virtuellen Kirchentagsprojekt selbst und an technischen Details: ein für ihn „auf Wiederholung angelegtes Experiment“! Leider muss man sagen, steckt die Technik immer noch in den Kinderschuhen. Sowohl Bild- als auch Tonqualität ließen streckenweise zu wünschen übrig. Der mehrfach aus München zugeschaltete Pfr. Christoph Breit, Beauftragter für Social Media und Networkmanagement bei der Pressestelle der ELKB, bemühte sich redlich um Aufrechterhaltung der Verbindungen. Aber diese „technischen Hubbelichkeiten“ (so O-Ton Landesbischof) lassen sich bestimmt bei nächsten Versuch beheben.

Den Abschluss des Tages mit dem Sendungsgottesdienst um 20.30 Uhr, übertragen aus der Kapelle des Landeskirchenamtes in München, verfolgten die meisten dann doch lieber am Personalcomputer daheim in der warmen Stube mit. Nun adressierte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm die „liebe virtuelle Kirchentagsgemeinde“ weltweit und betonte abermals, dass er sich auf die Auswertung und auf den Reichtum der Kommunikation freue.

Gebete konnten auf einer Gebetsmauer eingetragen, ebenso Kommentare zu den einzelnen Veranstaltungen ausgetauscht werden. So schrieb Renate Käser als Online-Abschluss-Kommentar: „Das war ein sehr eindrücklicher und erlebnisreicher Kirchentag! Ein Beginn für viele neue Möglichkeiten! Wir haben uns per Videochat mit unseren brasilianischen Partnern unterhalten. Es ist sehr verbindend, sich zu hören UND zu sehen! Ganz vielen Dank an alle, die dieses vielfältige Programm gestaltet und alle darin enthaltenen Chancen so wunderbar realisiert haben!“

P. S.: Jesus wusste noch nichts von dieser technischen Revolution. In seinem Gleichnis vom „großen Abendmahl“ ließ er noch Boten per Mundpropaganda auf die Landstraßen ausschwärmen, „damit mein Haus voll werde“ (Lukas 14,23). Tröstlich, dass offenbar auch dieser Aktion kein riesiger Erfolg beschieden war.