PRESSESCHAU: Wer im Namen Gottes tötet, hat keinen Gott

Judentum - Christentum - Islam und der eine Gott?

Schweinfurt - St. Johannis, So., 31. Juli 2016. Der sonntägliche Predigtgottesdienst in der St. Johannis-Kirche sollte spannend werdend: Pfarrer Siegfried Bergler beschäftigte sich mit dem Thema „Judentum, Christentum, Islam und der eine Gott“.

In der Begrüßung unterstrich Dekan Oliver Bruckmann – er teilte sich mit Bergler die Liturgie – die Aktualität der Predigt. Bruckmann fragte: „Wann hören die entsetzlichen Anschläge wie in Ansbach und Würzburg wieder auf? Sind etwa die Religionen die Quelle für Unfrieden und Terror? Beten Juden, Christen und Muslime zu demselben Gott?“

„Wer von uns hat schon den Koran ganz durchgelesen?“ beginnt Pfarrer Bergler seine richtungsweisende und von hoher Überzeugungskraft geprägte Predigt. Der Koran stehe uns fern und wir begegneten ihm mit Vorurteilen und pauschalen Behauptungen. „Tötet sie, wo ihr sie trefft, verjagt sie, bis Allahs Religion gesiegt hat“, finde man etwa in der Sure 2. Genauso einseitig urteilen viele, selbst Christen, über das Alte Testament: „Du sollst geben Leben um Leben, Auge um Auge“ (2. Mose) oder „Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert“ (Psalm 137/9).

Im Namen Gottes töten?

Und als Zitat aus dem Neuen Testament: „Er war angetan mit einem Mantel, der mit Blut besprengt war.“ Hier spreche die Offenbarung von Christus, das Blut sei das der Gottesfeinde. So bestehe die Gefahr, dass wir uns einzelne Stellen aus Bibel oder Koran herauspicken und sie absolut setzen, um Gewalt, Terror und Mord zu rechtfertigen. So hätten Christen in ihren Kreuzzügen eine Blutspur quer durch Europa und im Heiligen Land hinterlassen.

„Weder Altes noch Neues Testament noch der Koran dürfen als Zitate-Steinbruch oder als Waffenschmiede missbraucht werden“, ruft Bergler. „Wer meint, er müsse im Namen Gottes andere töten, der hat nicht bloß den falschen Gott, weil's gar keinen falschen Gott gibt, sondern der hat gar keinen Gott. An ihren Früchten erkennen wir, wie ernst es einer Religion mit Gott ist“.

Trialog der Religionen möglich?

Das Gemeinsame der drei Religionen sei, dass sie trotz aller Verschiedenheit hinsichtlich Gottes-Vorstellung, der Zeit oder der Kultur nur an einen Gott glauben. Müsste nicht ein Trialog zwischen ihren möglich sein? Bergler erläutert an drei Textstellen aus dem Alten Testament, dem Neuen Testament und dem Koran, wie wichtig den drei Religionen ihr Bekenntnis zu einem Gott ist. Aber: „Gottes Einzigkeitsanspruch ist wohl zu keiner Zeit stärker bedroht gewesen und unbequem wie heute.“

Dann kommt der Theologe zur christlichen Lehre von der Trinität, der Dreifaltigkeit. Ein Affront für Juden und Muslime: Für sie sei Jesus nicht Gottes Sohn, allenfalls ein großer Prophet oder ein Lehrer, Rabbi. Deshalb könnten Juden und Muslime nicht unsere Gebete übernehmen, wie wir Christen nicht die jüdischen oder muslimischen. Aber ein gemeinsames Bekenntnis zum einen Gott, dem Schöpfer und Erhalter des Himmels und der Erde müsste doch möglich sein.

Bergler: „Ich frage deshalb kritisch: Können wir nicht mal wenigstens eine Gebetszeit lang die eigenen Glaubenspositionen etwas zurücknehmen?“ Er wolle die Unterschiede zwischen den Religionen nicht verwässern, aber zum selben Gott zu beten müsse möglich sein, weil all unsere dogmatischen Glaubensaussagen keine endgültige Wahrheit darstellten. „Für eine friedvolle Zukunft der Welt braucht es Beterinnen und Beter, die bereit sind, die Grenzen und Dogmen ihrer eigenen Religion zu überschreiten“.

Tätige Nächstenliebe entscheidet

Außerdem dürfe es nicht bei einem solchen gemeinsamen Gebet bleiben, sondern jedes Gebet müsse von tätiger Nächstenliebe begleitet sein. Christus habe dem Gebot, Gott zu lieben, das Gebot der Nächstenliebe gleichwertig zur Seite gestellt. Eine klare Handlungsanweisung. Das Bekenntnis zu Gott verbinde zwar die drei monotheistischen Religionen, doch daraus müssten Taten, nicht bloß Toleranz folgen.

„Einen Glaubenssatz kann ich jederzeit ad acta legen“, sagt Bergler. „Aber das Liebesbekenntnis zu Gott begleitet und fordert mich, solange ich lebe“, schließt Bergler seine Predigt. Und im Gebet findet der Theologe trotz aller düsteren Schatten des Terrors Worte der Hoffnung: „Lasst uns trotz allem die Vision haben, dass eines Tages alle Menschen als gute Nachbarn miteinander leben. Bis dahin mache uns zum Sprachrohr für alle Opfer von Gewalt, für gesellschaftlich Diskriminierte, Minderheiten und Flüchtlinge. Führe uns vom Reden direkt zum Handeln“.

(aus: Schweinfurter Tagblatt vom 2.8.2016, S. 31; Text: Manfred Herker)

Siehe unten die Predigt als pdf-Datei:
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