Eine Art Fundraising

Dekanatssynode befasste sich mit Ablass und Luthers 95 Thesen

Regionalbischöfin Gisela Bornowski

Schweinfurt, Sa. 18. März 2017. Auch die Frühjahrssynode des Evangelisch-Lutherischen Dekanats Schweinfurt kam am Reformationsjubiläum nicht vorbei. Im Zentrum der Tagung mit fünfzig Teilnehmenden im Evangelischen Gemeindehaus stand der Vortrag von Regionalbischöfin Gisela Bornowski (Kirchenkreis Würzburg-Ansbach) – vom Präsiden Herbert Ludwig (Schwebheim) als „ausgewiesene Expertin“ angekündigt: „Luthers 95 Thesen. Die Reformation und ihre heutige Aktualität“.

Zunächst schilderte die Bischöfin die damalige pekuniäre Ablasspraxis, die der Minderung der zeitlichen Sündenstrafen diente, aber auch noch nach dem Tod die Strafzeit im Fegefeuer verkürzen helfen sollte, damit den Verstorbenen die Hölle erspart blieb. Ein Erlass der Schuld war damit freilich nicht gegeben, denn nur Priester konnten diese vergeben. Der Ablass lag in der Jurisdiktion des Papstes, der ihn an die Bischöfe vergab, „eine Art Fundraising“ - so Frau Bornowski - beispielsweise für den Bau des Petersdoms.

Doch dem Missbrauch waren Tor und Tür geöffnet. Vor allem der Dominikanermönch Johann Tetzel tat sich mit dem Slogan hervor: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt!“ Er sprach dem Ablasskreuz mit dem Wappen des Papstes denselben Wert wie dem Kreuz Christi zu. Luthers Landesherr Kurfürst Friedrich der Weise verhinderte den Auftritt dieses Ablasspredigers in Sachsen, weil er nicht wollte, dass das Geld seiner Untertanen abfloss.

Des Weiteren führte die Bischöfin aus: Luther, der schon seit 1516 gegen den Ablass gepredigt hatte, heftete am Vorabend des Allerheiligenfestes 1517 seine lateinisch formulierten Thesen an die Tür der Schlosskirche, damals das Schwarze Brett der Universität Wittenberg, um zu einer internen universitären Gelehrtendisputation aufzufordern. Doch dazu kam es nicht, weil den Professoren das Thema zu heiß erschien. Denn Luther geißelte in den Thesen den Ablass als falsche Sicherheit. Aufrichtige Reue bewirke Erlass von Strafe und Schuld auch ohne Ablassbrief. Überhaupt habe Buße die Grundhaltung des ganzen Lebens eines Christen zu sein.

Luther sandte seine Thesen noch am gleichen Tag an den Erzbischof Albrecht von Mainz und Brandenburg, der sie postwendend nach Rom weiterleitete. Sie wurden aber erst schlagartig publik, als sie Luther im November auch Freunden zuschickte, die sie ins Deutsche übersetzten und mittels des neuen Mediums des Buchdrucks in Windeseile verbreiteten. Luther wurde bewusst als Rebell aufgebaut. In seiner Erläuterung der Thesen von Februar 1518 schrieb er: „Die Kirche bedarf der Reformation, aber das ist nicht die Sache eines einzelnen Menschen, des Papstes, und auch nicht vieler Kardinäle, […] sondern Sache des ganzen Erdkreises, nein Gottes allein.“

Die Bischöfin hob insbesondere drei Erkenntnisse Luthers hervor: Zum einen seine Wertschätzung der Heiligen Schrift, die er als „Richtschnur der Theologie“ ansah und der das kirchliche Lehramt untergeordnet sein müsse. Er forderte eine existenzielle Beschäftigung mit ihr, denn nur so könne man dem lebendigen Gott und Christus als Mitte der Schrift begegnen.

Zum anderen sein „Allein aus Gnade“ (sola gratia): dass der Mensch von Gott ohne vorherige Werke gerecht gesprochen werde. Diese Erkenntnis steht laut Bischöfin Bornowski der säkularisierten Selbstoptimierung, dem heutigen gnadenlosen Ablass - kaufen, richtig investieren -, diametral  entgegen. Denn: „Ich bin wertgeschätzt, weil Gott sich mir freundlich und leidenschaftlich voller Liebe zuwendet.“ Der Gnade vonseiten Gottes habe der Glaube auf Seiten des Menschen zu entsprechen.

Schließlich der Appell „Den Aufbruch wagen“: Luther habe mit dem Thesenanschlag keine Separierung beabsichtigt. Er habe sich als Reformkatholik, aber nicht als Reformator – als der er sich im Übrigen nie bezeichnete – verstanden. Luther wollte die Kirche vom Evangelium her erneuern. Wirkliche Reformation sei allein Aufgabe Gottes und nicht die unsere. Wohl aber „können wir zur Besserung der Kirche beitragen, indem wir Zeugnis von der Mensch gewordenen Liebe Gottes geben und unser Leben am Evangelium ausrichten." Von daher forderte die Bischöfin nicht nur Erinnerungskultur, sondern auch den Aufbruch, um der Welt und Kirche "ein neues Gesicht zu verleihen".

(Der Vortrag der Bischöfin ist im Wortlaut nachzulesen in unten stehender pdf-Datei).

Anhand von Impulsfragen folgte eine Aussprache in Gruppen, unter anderem: „Wo brauchen wir einen Aufbruch, eine Reform unserer Kirche?“ Als positives Beispiel wurde die Vesperkirche St. Johannis genannt, wo man Kirche neu und angenehm empfinden könne. Sodann: „Wo erfahren wir, dass wir angenommen sind – ohne Bedingungen?“ Antwort: etwa bei unserem (Ehe-)Partner oder bei vertrauten Freunden, - worauf die kritische Nachfrage kam: Fühlen wir uns auch im Gemeindeleben bedingungslos angenommen? Ein Synodaler meinte, man solle nicht immer nur den mangelnden Kirchenbesuch bekritteln, sondern mehr Vertrauen in das Wort Gottes haben.

Zur Überraschung aller hatte die Regionalbischöfin für jede Dekanatskirche eine Altarbibel in der neuen revidierten Luther-Fassung von 2017 mitgebracht. Feierlich überreichte sie diese den Gemeindevertretern „zum gesegneten Gebrauch“.

Begonnen hatte die Synode mit einer Andacht der Präsidin Ute Lutz (Werneck) über rechten Umgang mit der Zeit angesichts des modernen Multitasking, verschiedene Dinge gleichzeitig erledigen zu können: „Könnten wir uns Jesus mit einem dicken Terminkalender vorstellen? Wohl kaum.“ Vielmehr wachse innere Ruhe nur im festen Vertrauen auf Gott. Unserer begrenzten Zeit stehe seine Ewigkeit gegenüber.

Am Ende der Synode stand der Geschäftsteil: Dekan Bruckmann stellte neue Synodale vor, gedachte des Todes von Pfarrer i.R. Manfred Herbert, der von 2004-2014 Seelsorger an der Gustav-Adolf-Kirche gewesen war, und informierte über den Dienstantritt neuer Geistlicher: Pfarrerin Corinna Bandorf in Obbach (zum 1. März), Pfarrer Johannes Ziegler auf der zweiten Stelle in Schwebheim (zum 1. Juni) und Pfarrer Martin Bauer in Euerbach (zum 1. August). Leider verlasse im Sommer Pfarrerin Christhild Grafe (Kreuzkirche-Oberndorf) das Dekanat, um eine Auslandspfarrstelle in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá anzutreten. Nach Bekanntgabe des Haushaltsplanansatzes 2017 in Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 500.801 Euro beschloss der Dekan die Sitzung mit dem Reisesegen.