Kritischer Rückblick - ermutigender Ausblick

Letzte evangelische Dekanatssynode vor Neuwahl

Nachdenklicher Vorsitzender: Dekan Oliver Bruckmann stellt sich kritischen Fragen der Synodalen

Schweinfurt, Sa. 29. Sept. 2018. Im Martin-Luther-Haus fand die letzte Sitzung der Wahlperiode 2012-2018 statt, bei jährlich zwei Tagungen folglich die zwölfte: Sechs Jahre lang war die 72 Mitglieder zählende Synode des evangelischen Dekanats Schweinfurt ihrer Aufgabe nachgekommen, sich über den eigenen Kirchturm hinaus mit Fragen der Lehre und des Lebens der Kirche im Ganzen zu befassen, konkret aber mit den Herausforderungen im Dekanat.

Nun galt es, ein Resümee zu ziehen. In seinem Vortrag vor den gewählten und berufenen PfarrerInnen und KirchenvorsteherInnen aus 27 Kirchengemeinden bot der Vorsitzende Dekan Oliver Bruckmann sowohl einen Rückblick als auch einen Ausblick. Seine Kernthese: Das traditionelle Kirchenbild – eine Pfarrstelle, ein Pfarrhaus, ein Pfarramt, eine Kirche – ist überholt. Ebenso die herkömmliche Erwartungshaltung, dass ein Pfarrer oder eine Pfarrerin Ansprechpartner für alle und alles sein müsse.

„Selbstverständlich ist jede Gemeinde Kirche Jesu Christi. Aber nicht jede Gemeinde ist es auch im umfassenden Sinne.“ Denn „Gemeinde ist immer Stückwerk“. Keine könne alles leisten. Deshalb rief der Dekan zu mehr Zusammenarbeit auf. Es gelte, gabenorientiert Schwerpunkte zu setzen, sich gegenseitig zu ergänzen, vor allem in Regionen zu denken. Dazu verwies er auf den von der Landessynode initiierten Prozess „Profil und Konzentration“ (PuK): Jede Gemeinde solle sich nur auf ihr ureigenes Profil konzentrieren und dafür anderes von anderen machen lassen, beispielsweise die Konfirmanden- und Jugendarbeit. „Es geht uns dabei nicht wirklich etwas verloren.“

Auch im Blick auf die Gemeindeglieder forderte er ein Umdenken: mehr Mitgliederorientierung statt Mitgliederorganisation! Das heißt: „von den Menschen aus denken, nicht so sehr von uns als Kirche aus“, also nicht mehr fragen: „Was bieten wir alles an?“ sondern: „Wo leben die Menschen bei uns? Was brauchen sie? Was suchen sie?“

Als gelungene, profilbildende Modelle in seinem Dekanat nannte Bruckmann zum einen den Kindertagesstättenverbund, der die Gemeindemitarbeitenden, insbesondere die PfarrerInnen, von zeitraubender Verwaltungsarbeit entlastet, zum anderen die Vesperkirche, die sich vorbildlich an den Bedürfnissen und Fragen der Mitglieder orientiert. Ferner gab er ein leidenschaftliches Plädoyer für die weitere Profilierung des Ehrenamtes ab.

Da sich Welt und Gesellschaft – Stichwort „Individualisierung“! – rasant veränderten, dürfe sich auch die Kirche den Transformationsprozessen nicht verschließen. Allein 2017 sind im Dekanat Schweinfurt 315 Gemeindeglieder aus der Kirche aus- und 32 eingetreten; dies bedeutet eine Abnahme um 283 „Seelen“. Die hohen Austrittszahlen aufzufangen, erfordere effektive Entscheidungen und praktische Konsequenzen. (Siehe den Vortrag des Dekans im Wortlaut unten im Anhang als pdf-Datei!)

In der Aussprache stellten Synodale kritische Fragen wie: Arbeiten wir etwa an den „Konsumenten“ vorbei? Haben besondere Gottesdienste („Specials“) überhaupt eine nachhaltige Wirkung? Sind inhaltliche Themen und vor allem persönliche Beziehungen nicht viel wichtiger als das Denken in Strukturen? Klafft nicht ein Widerspruch, wenn sich die Kirche in der Asyldebatte nur für die Belange der Flüchtlinge positioniert, aber viele ihrer Mitglieder diese Einstellung nicht voll bejahen können?

Im geistlichen Teil in der St. Johanniskirche predigte Pfarrer Andreas Bauer (Bergrheinfeld) über das Wort des Apostels Paulus von den vielen Gaben und Ämtern in einer Gemeinde, „aber es ist ein Herr“ (1. Korinther 12). Zunächst schilderte er eine fiktive Szene: Ein Pfarrer kommt in ein Fundbüro und sucht verlorene Gaben. In seiner Gemeinde sind nämlich die Gaben, vom Glauben und von der Weisheit reden zu reden können, ebenso die Gabe, die Seele gesund zu machen, abhanden gekommen. Warum? Dem Geistlichen fehlen inzwischen die mit diesen Begabungen ausgestatteten engagierten Gemeindeglieder. „Keiner kann alles, aber etwas kann jede und jeder.“

Sodann dankte Pfarrer Bauer für das sechsjährige Engagement der Synodalen und rief spontan dazu auf, dass jede und jeder seinem Banknachbarn persönlich den Dank aussprechen möge.

Drei ermutigende Tipps gab ihnen Bauer mit auf ihren weiteren Weg: Mitarbeitende einer Gemeinde sollten sich immer neu vergewissern, dass sie von Gott selbst berufen seien, und dazu das regelmäßige Gebet zu Gott pflegen, ferner bereits in der Gegenwart Zuversicht ausstrahlen im Blick auf die Zukunft der Kirche. Passend das Lied: „Ihr seid das Volk, das der Herr sich ausersehn. Halleluja.“ Die Verbundenheit kam am deutlichsten zum Ausdruck, als sich alle beim Abendmahl in einem großen Kreis um den Altar versammelten und mit ihren Händen eine geschlossene Kette bildeten.

Nach der Kirchenvorstandswahl am 22. Oktober wird eine neue Synode mit (zum Teil) neuen Gesichtern für die kommenden sechs Jahre konstituiert. Sicher werden nicht weniger Fragen und Probleme zu bewältigen sein.