Begegnungen auf Augenhöhe

Bayerns erste Vesperkirche ab dem 18. Januar in St. Johannis

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Schweinfurt, 24. Okto. 2014. Die Kirche Sankt Johannis wird vom 18. Januar bis 8. Februar 2015 drei Wochen lang zur Vesperkirche – der ersten in Bayern. Menschen unterschiedlicher Herkunft und sozialer Stellung, Arme und Wohlhabende, Arbeitslose und Berufstätige, Hilfesuchende und Ratgebende begegnen sich jeden Mittag von 11.30 bis 14.30 Uhr auf Augenhöhe in dieser besonderen Umgebung: einem Kirchenraum. Sie essen gemeinsam zu Mittag, kommen beim Kaffeetrinken ins Gespräch, erleben dort ein „Miteinander für Leib und Seele“.

Das ist auch das Motto der bisher im Freistaat einzigartigen Vesperkirche. Mit diesem Leitwort soll die Verbundenheit der Gastgeber Diakonie (Leib) und St. Johannis (Seele) ausgedrückt werden. Zum anderen steht es als Zeichen „mitten in unserer Stadt“, dass einiges im Argen liegt, wie es die Verantwortlichen formulieren. Es gibt immer mehr Alleinerziehende, die Zahl der Langzeitarbeitslosen nimmt nicht ab, viele Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bewegen sich an der Armutsgrenze. [...]

Die Vesperkirche ist keine neue Erfindung. In Baden-Württemberg gibt es 25. Die Ausschreibung für die erste in Bayern interessierte etliche Kirchengemeinden in Bayern. St. Johannis Schweinfurt erhielt am 3. Dezember 2013 den Zuschlag.

Eine zehnköpfige Projektgruppe wurde gebildet. Ihr gehören Diakoniechef Jochen Keßler-Rosa, Dekan Oliver Bruckmann, Haupt- und Ehrenamtliche an. Diakon Norbert Holzheid hat die Geschäftsführung übernommen, bei ihm laufen die Fäden zusammen. Im Februar 2014 besuchte man die Vesperkirche Ludwigsburg, lernte dort viel über die Organisation, die Mitarbeit und vor allem: „Wir haben beobachtet“, sagt Holzheid.

In St. Johannis müssen wegen des großzügigen Kirchenraums nur ein paar Bänke am Rand abmontiert werden. Der „Speisesaal“ mit Tischen und Stühlen für 120 Gäste, die neu gekauft wurden und später ins Gemeindehaus kommen, befindet sich in der Mitte. Damit der Sandboden keinen Schaden nimmt, wird dort ein Laminatboden verlegt.

Rechts und links des Haupteingangs sind die „Küche“, der Café-Bereich und geplante Extra-Angebote. Das sind Kinderbetreuung, Beratung in Krisensituationen des Lebens oder auch nur ganz praktische Dinge wie ein Stand für Second-Hand-Kleidung oder Blutdruckmessung durch den Kooperationspartner Johanniter. Angeschrieben sind alle Organisationen, Konfessionszugehörigkeit spielt beim Projekt keine Rolle.

In den drei Wochen ist jeden Mittag, auch am Samstag und Sonntag, Vesperkirche. Die Gäste werden am Eingang „willkommen geheißen“, von einem Helfer auf einen Platz geführt, später bedient. Ein Essen – Suppe, Hauptgericht, Kaffee, Kuchen, Getränke – im Wert von mindestens fünf Euro kostet lediglich 1,50 Euro, für Kinder bis zwölf Jahren sind es 50 Cent. „Mit dem Preis setzen wir ein Zeichen der Zusammengehörigkeit“, sagt Holzheid.

Jeden Tag um 13 Uhr ruht die Essensausgabe für einen geistlichen Impuls. Den geben Pfarrer, Diakone. Drei, vier Minuten wird also innegehalten, man erfährt dort einiges über die Idee der Bewirtung von Gästen in einer Kirche oder über tagesaktuelle Dinge.

Es gibt drei Abendprogramme, ein Konzert von Pfarrer und Pfarrerinnen (22. Januar 2015, 19.00 Uhr), einen Auftritt von Steffi List mit der OBA (05. Februar, 19.00 Uhr), eine Veranstaltung der Asylberater der Diakonie zum Flüchtlingsdrama.

Das Projekt kostet rund 90 000 Euro. Die Hälfte steuern für das erste Mal das Diakonische Werk Bayern und die evangelische Landeskirche bei. Holzheid macht keinen Hehl daraus, dass es „ohne Sponsoren und Spenden nicht geht“. Er ist dankbar über das Engagement des Leopoldina-Krankenhauses (Küche, Geschirr, großer Spüldienst). Dass auch vor Ort je nach Interesse abgewaschen werden muss, ist klar. Er freut sich, dass die Stadt in Person von Sozialreferent Jürgen Montag Hilfen zugesagt hat. [...]

Man kann beim Auf- und Abbau helfen, regelmäßig Kuchenspenden abliefern, sich auch fürs feste Ehrenamtlichenteam melden. Dazu gibt es zwei Mitarbeiterschulungen. [...] 22 Helfer sind es derzeit, benötigt werden aber mindestens 100 Ehrenamtliche – für Begrüßung, Essensausgabe, Kasse, Spülen und tägliches Aufräumen.

Übrigens: In den drei Wochen finden die Gottesdienste natürlich weiterhin statt, in einer auch für die Pfarrer neuen Umgebung, der Vesperkiche inmitten von gedeckten Tischen mit Kerzen und Blumen drauf. Und: Die Vesperkirche ist keine Eintagsfliege, sie wird es sicher weiterhin geben.

(aus: Schweinfurter Tagblatt vom 24.10.2014, S. 25; Text: Hannes Helferich; Foto: Bergler)

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