Auf den letzten Drücker

Verabschiedung von Pfarrerin Christhild Grafe

Pfarrerin Christhild Grafe rüstet sich zu ihrem letzten Gang

Schweinfurt-Oberndorf, Kreuzkirche - So. 09. Juli 2017. Nun gehören 23 Jahre ihres Lebens und Wirkens in Schweinfurt endgültig der Vergangenheit an: 13 Jahre zweite Pfarrerin in St. Johannis plus zehn Jahre Pfarrerin der Kreuzkirchengemeinde in Oberndorf. Einige ihrer Kolleginnen und Kollegen, die dienstfrei hatten, begleiteten Pfarrerin Christhild Grafe bei ihrer letzten Amtshandlung, dem Abschiedsgottesdienst. Noch einmal stieg sie die Stufen zur Kreuzkirchenkanzel hinauf, um endlich – wie sie betonte – ein Versprechen einzulösen, das sie bereits im vierten oder fünften Jahr ihres Hierseins einem Gemeindeglied gegeben hatte. Dieses wünschte sich eine Predigt über das Gesangbuchlied von Gerhard Tersteegen (1724) „Gott ist gegenwärtig“ (EG 165). Und nun – sozusagen „auf den letzten Drücker“, wie Pfrin. Grafe es ausdrückte – wurde daraus ihre Abschiedspredigt. Eigentlich drehte sich diese nur um die eine Aussage „Gott ist gegenwärtig“, die dadurch „eine besondere Klangfarbe“ erhielt.

Gottes Gegenwart bedeute eine liebevolle Ermutigung, führte Grafe aus, um dann gleich die Gemeinde aufzufordern, wirklich zur Ruhe zu kommen und diese Gegenwart auch zu spüren, während die Panflötengruppe Pankara Siku (dt.: „Blühende Panflöte“) unter Leitung ihres Mannes Juan Osorio eine meditative Einlage spielte. Anschließend fragte die Predigerin kritisch, ob denn der Satz „Gott ist gegenwärtig“ auch wirklich stimme angesichts der unbeantworteten Fragen unseres Lebens, der lauten Stimmen in uns und angesichts von Armut, Hunger, Umweltverschmutzung, Dürre, Gewalt all überall auf dieser Welt. „Ja“, entgegnete sie fest, denn es handele sich um ein Bekenntnis des Vertrauens in Gott - manchmal auch gegen den Augenschein.

Dann zählte sie persönliche Erinnerungen an so vieles, was sich im Gemeindeleben abgespielt hatte, auf, erwähnte etwa das neue Gemeindehaus, KV-Sitzungen, ökumenische Gottesdienste, gemeinsame Ausflüge, die „Gespräche am Kamin“. Überall da sei Gott gegenwärtig gewesen, was nun auch für ihre Zukunft gelte. Darum nehme sie dieses Lied im Gepäck mit. Noch einmal aktivierte sie die Gemeinde, indem sie dazu aufforderte, jedem Banknachbarn „Gott ist gegenwärtig“ zuzusprechen.

Es folgte die Laudatio durch Dekan Oliver Bruckmann: Christhild Grafe sei „eine der dienstältesten Pfarrerinnen in unserem Dekanat“, „ein Urgestein unter den PfarrerInnen“. Am 1. Juli 1994 habe sie in St. Johannis begonnen, sei ordiniert worden und habe dort auch geheiratet. Am 1. Dezember 2007 sei ihr Wechsel nach Oberndorf erfolgt. Bruckmann ließ viele Tätigkeitsfelder Grafes Revue passieren, unter anderem die Partnerschaftsarbeit als Dekanatsmissionspfarrerin mit den lutherischen Gemeinden in Rio, ihre Mitwirkung im Fachausschuss Lateinamerika der ELKB und die guten Beziehungen zu Mission EineWelt, ihr fremdfinanzierter Einsatz als Stiftsseelsorgerin im Augustinum, der Neubau des Kreuzkirchen-Gemeindehauses, ihre Funktion als stellvertretende Seniorin des Pfarrkapitels und als Mentorin für Vikar Thomas Frenz.

Schließlich der Ausblick: Am 1. September werde Pfrin. Grafe die EKD-Auslandspfarrstelle in Bogotá/Kolumbien antreten. „Wir holen Sie zurück, wenn man Sie dort schlecht behandelt“, versprach der Dekan. An Juan Osorio gewandt, der ihren Dienst begleitet und bereichert hatte: „Ihre Musik wird uns fehlen.“ Und an Grafes Predigt anknüpfend: Gott wisse, wie wir mit ihm Schritt halten können, so dass er uns immer nahe (gegenwärtig!) bleibe. Dann entpflichtete er die Pfarrerin von ihrem Dienst an der Kreuzkirche und segnete sie samt ihren Mann an den Altarstufen. Als Geschenk überreichte er eine 1975 geprägte Dekanatsmünze mit Abbildung der Kreuzkirche.

Mehr als die doppelte Gottesdienstzeit dauerte der Grußwortreigen im Gemeindehaus, der darum nur ausschnittweise dokumentiert werden soll: Im Anschluss an zwei Abschiedslieder der Kindergartenkinder grüßte Schweinfurts II. Bürgermeisterin Sorya Lippert im Namen der Stadt. Anspielend auf Grafes Geburtsland Indien, wo ihre Eltern als Missionare wirkten: „Eine indische Wurzel verbindet uns.“

Von der katholischen Stadtpfarrei, namentlich der St. Josef-Gemeinde, dankte Diakon Walter Ziegler für die gelebte Ökumene: „Wo zwei Kirchen zusammen sind, ist Gott auch da (gegenwärtig!).“ Senior Pfarrer Dr. Wolfgang Weich, der im Namen des Pfarrkapitels sprach, gab persönliche Erinnerungen preis: Pfrin. Grafe habe ihm 2004 Wegweisendes mitgegeben, als er damals darüber nachdachte, Theologie zu studieren. Sie sei ein Mensch, dem man gerne vertraue. Auch nicht fehlen durfte Renate Käser, Mitglied der Landessynode und Dekanatsbeauftragte für Partnerschaft, Entwicklung und Mission, die das internationale Engagement ihrer Freundin würdigte. Vor allem liege ihr Brasilien am Herzen. Dazu stellten sich Brasilienbeauftragte der Dekanatsgemeinden in einer Reihe auf und hielten Buchstabe für Buchstabe das Wort „Brasilien“ hoch. Jedes Blatt umgedreht, kam auf der Rückseite das Wort „Kolumbien“ zum Vorschein.

Mehrfach aufgelockert wurde das Beisammensein durch die Panflötengruppe und den ökumenischen Kirchenchor, der z.B. das Rückert-Gedicht „Nie stille steht die Zeit“ in der Vertonung von KMD Gustav Gunsenheimer darbot.

Am intensivsten fiel die Würdigung seitens des Kirchenvorstandes der Kreuzkirche aus. Dr. Rainer Dietrich zog einen historischen Bogen von der Einführung der Reformation in Oberndorf durch Pfr. Lorenz Heunisch im Jahr 1548 über 40 Pfarrherren dazwischen bis zur ersten – revolutionär! - Pfarrerin in Gestalt von Christhild Grafe. Zitat von Martin Buber: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“. So blieb der Oberndorfer „Noch-Pfarrerin“ nur noch „ein riesengroßes, dickes Dankeschön“ zu sagen übrig. „Ich bin wirklich im Dekanat verwurzelt und gehe erfüllt von der guten Zeit bei euch.“

Und wie weiter? Sie wird zunächst einen Spanisch-Crashkurs in Antigua im zentralen Hochland von Guatemala absolvieren, ehe sie mit ihrem aus Peru stammenden Mann die Pfarrstelle St. Mateo in Bogotá antreten wird. Internationaler geht‘s wohl kaum.